Schlauer Pageturner

Ein mehr als großartiges Buch. Schnell wird bei der Lektüre klar, dass wir hier etwas anderes als das bekannte (und zur richtigen Zeit auch schöne) „Gut gegen Nordwind“ vor uns haben. Kritisch wird die Dialogfähigkeit unserer Gesellschaft hinterfragt. Man kommt zu dem Schluss: Dialog ist immer noch möglich – aber nicht zum Erkenntnisgewinn sondern aus purer Gewohnheit. Man will sich wohl nicht mehr verstehen.

Der Diskurs zwischen einer Landwirtin, die im Übrigen sehr gerne sofort meine Telefonnummer bekommen würde und einem Schnösel der bei einer bundesweit erscheinenden und anerkannten Wochenzeitung (der FAZ war es in ihrer Rezension unglaublich wichtig, zu bemerken, dass es sich hier zwingend entweder um den Stern oder die Zeit handeln muss) tätig ist, betrachtet unsere Welt der letzten Jahre. Probleme durch Pest und Krieg. Lagerbildung und Shitstorms. Reich und Arm. Vielleicht ist mein Eindruck subjektiv: die einfach Landwirtin, für die ein AFD-Wähler nicht zwingend auch ein schlechter Mensch sein muss ist offen und hört sich Argumente an. Der Chefredakteur beansprucht zu jedem Zeitpunkt alle Weisheit für sich – obwohl er durch seine Lebenswelt in einer Minderheit ist.

Sowohl der fachliche / inhaltliche Dialog als auch das persönliche, manchmal schroff egoistisch, ab und an offen und versöhnungsbereit, begeistern. Ein wichtiges Buch, das sagen will, dass Probleme realer und ernster sein können als das Setzten irgendwelcher Gendersternchen. Man müsste sich nur verstehen wollen und einräumen können, selbst nicht immer im Recht zu sein. Vielleicht klappt das ja in einem „zweiten Teil“.

Juli Zeh und Simon Urban ist hier etwas Großartiges und Wichtiges gelungen das ich sehr gerne empfehle. Beide bringen sowohl die schriftstellerische als auch fachliche Expertise mit.

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